Drei Wochen sind seitdem vergangen und hätte ich gewusst, dass es Matt in dieser Zeit einfach geschafft hat, zum neuen Familienmitglied Hixton zu werden, hätte ich laut gelacht. No Joke, ich weiß nicht was hier gerade abgeht. Mal davon abgesehen davon, dass Mum’s einziges Gesprächsthema seit Tagen der anständige, junge, absolut großartige neue Nachbar ist, hängen auch meine Brüder ständig mit ihm ab.
Selbst Dad redet mit ihm, als wären sie alte Bekannte. Gestern hat er ihm sogar seinen Chevrolet Camaro gezeigt. Das ist richtig deep, dieses Auto ist Dad’s große Liebe (nach Mum und vor uns, sagt er), dem ich mich, ohne seine Erlaubnis, nicht mal auf 3 Metern nähern darf.
Als ich die zwei gestern lachend in der offenen Garage gesehen hab, sind mir fast die Tränen gekommen. Kurz gesagt: ich bin stinksauer und schwer genervt von diesem Typen. Vor allem weil er jedes Mal, wenn ich eine Begegnung nicht vermeiden kann, arrogant grinst , als wüsste er was ich über ihn denke, es ihm aber scheissegal ist. Nicht, dass wir seit dem Tasche-Bauch Vorfall miteinander gesprochen hätten. Er ist zu cool und ich definitiv zu stur.
Mir fällt langsam aber sicher die Decke auf den Kopf. Das Haus ist auch ohne Matt schon klein genug. Ein weiterer Grund möglichst schnell hier wegzukommen. Nicht mal beim Abendessen hab ich meine Ruhe, denn auch da ist er mittlerweile an den meisten Abenden wie selbstverständlich mit dabei, als wäre er hier zuhause. Gestern hat Mum mit meiner Tante telefoniert und ihr erzählt wie sehr es ihr das Herz bricht, dass Matt’s Eltern so busy sind und der arme Junge ja hier sonst keinen hat. Ich könnte kotzen.
Sie ignoriert einfach die Tatsache, dass er sicher mindestens 23 ist und sowieso keinen Bock hat mit seinen Eltern zu chillen, aber erklär das mal der Königin der Übertreibung. Je mehr er hier rumhängt, umso weniger kann ich ihm aus dem Weg gehen. Nicht mal mein Safespace am Strand ist mehr sicher.
Der einzige Grund warum ich nicht schon längst hier weg bin, ist nämlich die Tatsache, dass unsere Haus nur ein paar Minuten vom Strand entfernt ist und ich von meinem Zimmer aus das Meer sehen kann. Ach ja und eine Kleinigkeit namens Geld. Okay ich geb zu, dass Geldthema ist Grund Nummer 1. Aber der kilometerweite Strand vor unserer Haustür und das kristallklare Meer sind einfach ein absoluter Vibe.
Obwohl selbst der Hochsommer bei uns eher kühl ausfällt, ist das Meer wärmer als man denken würde. Als Kinder waren wir jeden Tag im Wasser, egal bei welchem Wetter, 5 Grad fühlten sich wie 20 an, hat uns wohl abgehärtet. Abgesehen von dieser Traumkulisse hatte dieser Ort nämlich nie wirklich was zu bieten. Absolut tote Hose. Das änderte sich, als Dad vor ein paar Jahren auf die Idee kam, seinen Job zu kündigen und das erste und einzige Restaurant in unserem Ort zu eröffnen. Ich war damals 15 und heilfroh, dass zumindest irgendetwas in diesem Kaff passierte.
Damals wussten wir noch nicht, wie erfolgreich er damit werden würde. Seine Idee kam so gut an, dass er vor 2 Jahren ein weiteres Grundstück neben dem Restaurant gekauft hat und daraus mal so nebenbei eine Bar samt DJ, Tanzfläche, Bartheke, TV’s und einen Loungebereich zauberte. Ich hab ihn angefleht mich mit ihm um das Aussehen der Bar kümmern zu dürfen. Noch heute bin ich stolz was daraus geworden ist und ich werde es Dad nie vergessen, dass er mir so vertraut hat, obwohl es ziemlich viel Geld gekostet hat.
Nach der Eröffnung verbrachte ich zum ersten Mal viel Zeit auf Social Media und erkannte was damit möglich war. Ich postete Stories und streamte oft live aus der Bar, während man Fragen stellen konnte. Ich hatte teilweise 10.000 Zuschauer was einfach krass war. Sogar ein Fernsehteam hat uns vor ein paar Monaten interviewt und mittlerweile kommen Leute aus aller Welt um im Restaurant zu essen und danach die Bar zu besuchen, i mean wtf? Nie war ich stolzer auf mich. Hab danach sogar überlegt, nicht Fotografie sondern Innenarchitektur zu studieren, weil es absolut Spass gemacht hat.
Jedenfalls hat Dad seitdem 10 Angestellte inklusive uns. Mum kümmert sich um die Buchhaltung, meine Brüder und ich stehen oft hinter der Bar und ich kümmere mich zusätzlich noch um unsere Social Media Accounts. Das Trinkgeld ist vor allem am Wochenende ein Traum und mein „New York, ich komme“ Glas wird immer voller.
Lachende Stimmen die näher kommen, holen mich aus meinen Gedanken. Innerliche stöhne ich auf. Nicht mal vor 10 Minuten hab ich es mir hier mit einem Buch gemütlich gemacht. Sonne ist natürlich keine zu sehen, aber kalt ist es auch nicht, so dass ich meinen neuen pastellpinken Bikini trage. Er ist schlicht, aber knapp geschnitten und ich fühle mich echt sexy darin. Sobald ich in New York bin werd ich den brauchen, zumindest habe ich mir so die Zollgebühren schön geredet.
Die Klamottenauswahl in Island ist leider unterirdisch. Ich konnte also nicht anders. Da sind sie. Achtlos wirft Chris sein Handtuch neben mich in den Sand. „Hi Schwesterherz“. Brian und Matt kommen auch an. „Ne andere Farbe gabs wohl nicht?“ Brian rollt mit den Augen und deutet auf meinen Bikini. Seitdem sein Crush, die pink genauso liebt wie ich, ihm gesagt hat sie will nichts von ihm, hasst er die Farbe noch mehr als vorher, was ich natürlich ausnutze. Matt nickt mir nur kurz zu und sieht sich dann am Strand um. Bis jetzt hat sich noch jeder, der zum erstem Mal hier war in das hellblaue, klare Wasser und den feinen Sand verliebt.
Während die Jungs sich ausziehen, versuche ich weiterzulesen. Mein Körper macht derweil was ganz anderes, lässt mein Herz schneller schlagen und geht in Alarmbereitschaft. Mit Brian und Chris kann ich umgehen, aber seit sie zu Dritt sind, hat sich die Dynamik verändert. Und ich habe leider das Gefühl, dass es jetzt 3 gegen 1 heißt. Die zwei Idioten kriege ich schon hin, was ich nicht hinkriege ist Matt, der immer noch vor mir steht, nicht anzusehen während er sich das Shirt über den Kopf zieht.
Er ist auch kaum zu übersehen, sicher mindestens 1,90 groß, ziemlich trainiert. In a good way. Weder zu viel, noch zu wenig. Dazu noch schwarze Haare, blaue Augen. Diese Kombi sieht man hier selten. Es kommen oft echt süsse Jungs in die Bar, aber Matt fällt, auch wenn ich es nicht gerne zugebe, definitiv in die Kategorie Hot, obwohl ich er eigentlich nicht mein Typ ist, zumindest seine Augen nicht, je dunkler desto mehr bin ich into it.
Er passt so gar nicht hierher mit diesem Aussehen und ich frage mich wieder mal, warum er hier in Island gelandet ist. Shit, er hat mich erwischt und fängt meinen Blick ein, sieht mir in die Augen und grinst. Weil ich mir gerade nicht anders zu helfen weiß, strecke ich ihm wie ein Kleinkind die Zunge raus und wende mich ab. Ich höre ein leises Lachen, kann aber auch sein, dass ich es mir einbilde. Ich werde einen Teufel tun und nochmal in seine Richtung sehen. Thank God kann er nicht auch noch Gedanken lesen, würde seinem Ego nicht guttun.
„Sag nicht, du liest ernsthaft ein Buch über das absolut overratete New York?“ gibt er plötzlich von sich, als wäre er schockiert. Ich zucke ein wenig zusammen. Hab ich mich grad verhört? „Da du ja hoffentlich lesen kannst, war das wohl eine rhetorische Frage“ kontere ich ohne hinzusehen und bin stolz auf mich wie entspannt ich dabei rüberkomme obwohl ich mich innerlich verkrampfe. „Das ist noch nicht alles Matt, die Kleine will dorthin ziehen, lieber heute als morgen, kannst du das glauben?“. Natürlich kann Brian seine Klappe nicht halten. Ich könnte ausrasten, wenn er mich „die Kleine“ nennt. Und jetzt stehen sie da und lachen, als wäre das das absolut Dümmste was man tun könnte.
Heisse Wut steigt in mir auf und wie immer wenn ich wütend werde, steigen mir die ersten Tränen in die Augen, ich hasse es, wenn mir das passiert, besonders vor meinen Brüdern. Ich blinzle sie weg und fange an alles in meine Tasche zu werfen. „Wenigstens hab ich ein Ziel, im Gegensatz zu euch Losern!“ ich kann nur hoffen man hört nicht, dass meine Stimme leicht zittert. Keine Antwort. Ist auch besser so.
So elegant wie es mir im Sand möglich ist, stolziere ich in meinem Bikini davon und bete, dass mir keiner von ihnen folgt. Auf dem Heimweg begegne ich niemanden, trotzdem breche ich erst heulend zusammen, als ich meine Zimmertüre hinter mir zuwerfe und absperre. Reicht es nicht, dass mich meine Familie, seitdem sie von New York wissen, nicht ernst nimmt und tut, als würde ich es sowieso nicht durchziehen? Jetzt auch noch der neue Nachbar? Ich muss dringend mit jemandem reden.